Witty.Works hat mit dem Browser-Plug-in «Witty» einen Assistenten lanciert, der Unternehmen zu mehr Diversität und Inklusion verhelfen soll. Das ist auch nötig, sagt Nadia Fischer, Co- Founder und CEO. Denn ihr zufolge hinkt die Business- Kommunikation diesbezüglich immer noch hinterher. Im Interview spricht sie über die Gründe und erklärt, wie sie Firmen mit ihrer Software auf die Sprünge helfen will.
Interview: Luca Perler, Computerworld; Foto: Samuel Trümpy
Mehr als nur Gendersternchen
Computerworld:
Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion haben sich
viele Unternehmen auf die Fahne geschrieben.
Widerspiegelt sich dies im Geschäftsalltag
auch
im Sprachgebrauch?
Nadia Fischer:
Nein, das sehe ich nicht so. Wir arbeiten mit
einigen Unternehmen zusammen, die sich zum Beispiel
sehr stark für LGBTI einsetzen. Diese Überzeugung
wird
zwar nach aussen getragen, im Innern passiert aber
noch nicht viel. Und grundsätzlich sind sich viele
wohl gar nicht bewusst, wie stark Sprache
beeinflusst wird von den Stereotypen, die wir immer
noch mit uns herumtragen.
Computerworld:
Welche Stereotypen und Denkmuster schleichen sich
denn heutzutage Ihrer Erfahrung nach im
Business-Kontext unterbewusst noch am häufigsten
ein?
Nadia Fischer:
Da gibt es natürlich ganz viele. Aber junge
Generationen wie auch Frauen sprechen etwa überhaupt
nicht mehr auf kompetitive Sprache an. Ausdrücke wie
«Ehrgeiz» oder «Top-Performer» sind in der
Business-Kommunikation nach wie vor sehr
gebräuchlich, vermitteln aber viel Wettbewerb unter
den Leuten. Und gerade für Frauen oder junge Talente
ist das gar nicht mehr attraktiv. Sie wurden anders
sozialisiert und sprechen dagegen wesentlich mehr
auf Kooperation an. Ein anderes Beispiel: Wenn eine
Person neu ins Unternehmen kommt und in der
Kommunikation ständig Abkürzungen verwendet werden,
dann ist das auch nicht inklusiv. Für die neu
angestellte Person ist es so nämlich schwierig, sich
einzuarbeiten. Oder es dauert einfach länger. Da
zeigt sich, dass inklusive Sprache mehr ist als das
Gendersternchen. Es geht darum, eine Sprache zu
nutzen, die alle anspricht und mit
der ein
Zugehörigkeitsgefühl geschaffen wird.
Computerworld: Weshalb stockt die Umsetzung?
Nadia Fischer:
Sicher aufgrund alter Gewohnheiten. Ich würde sagen,
die Business-Sprache ist in den 80ern stehen
geblieben. Zudem machen wir im Büro viel Copy &
Paste – bei Verträgen, Stellenanzeigen etc. So
erhält sich das Ganze natürlich zusätzlich, anstatt
sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Und nicht
zuletzt kommt das Bewusstsein für Diversität und
inklusive Kultur erst jetzt so richtig auf.
Da
hinkt die Sprache einfach noch hinterher.
Computerworld:
Was hat Sie und Ihr Team dazu bewogen, ein
Browser-Plug-in für inklusive Sprache zu
bauen?
Nadia Fischer:
Wir entwickelten vorher den «Diversifier», der
inklusive Sprache in Stellenanzeigen prüft. Für uns
war das ein Minimum Sellable Product, um zu schauen,
ob Unternehmen überhaupt bereit sind, Geld in so
etwas zu investieren. Diesen Business Case konnten
wir beweisen. Uns erreichte aber das Feedback, dass
ein solches Tool für die gesamte Kommunikation
nützlich wäre – und nicht nur
für
Stellenanzeigen. Deshalb programmierten wir dann das
Plug-in. Im Gegensatz zum «Diversifier» kann man mit
diesem überall inklusiv schreiben, in der internen
Kommu-
nikation, im Marketing oder auf der
Website. Auch bauten wir für das Plug-in eine
Natural Language Processing API. Sie ist dafür
zuständig, Wörter im Kontext zu verstehen.
Wir sind keine Sprachpolizei
Computerworld: Was hat das neue Tool «Witty» auf dem Kasten?
Nadia Fischer:
Weil es ein Browser-Plug-in ist, muss man auf einem
webbasierten Interface sein – Gmail, LinkedIn oder
Twitter funktionieren beispielsweise sehr gut. Wenn
sich beim Schreiben nun ein Begriff einschleicht,
der auf irgendeine Art nicht inklusiv ist, wird
dieser markiert. Das Tool schlägt dann vor, womit
sich dieser ersetzen lässt. Und als Ergänzung gibt
es kleine «Lern-Häppchen». Sie zeigen jeweils auf,
welcher Bias hinter dem markierten Wort steckt. So
wollen wir nicht nur das Bewusstsein der Nutzerinnen
und Nutzer schärfen, sondern der ganzen Organi-
sation
dabei helfen, eine inklusive Kultur zu entwickeln.
Angestrichen werden zum Beispiel auch Füllwörter.
Denn sie machen die Sprache komplizierter und wir
wissen, dass sich Menschen mit Deutsch als
Zweitsprache damit schwertun. Ganz wichtig ist aber:
Wir wollen keine Sprachpolizei sein. Der Algorithmus
übernimmt auch nicht das Schreiben. Es handelt sich
lediglich um Empfehlungen, die man ablehnen kann,
wenn man das möchte.
Computerworld: Für inklusive Sprache gibt es
keine klaren Regeln.
Wie sind Sie dieses Problem angegangen?
Nadia Fischer: Wir haben eine Art Framework aufgebaut. Das brauchten wir nur schon für die Darstellung im Frontend. Grundsätzlich stützen wir uns vor allem auf Studien, Fokusgruppen sowie soziale Bewegungen wie #MeToo, Black Lives Matter oder LGBTQIA+. Wenn man diesen etwa auf Instagram folgt, kommen solche Themen immer wieder auf. Und genau dort holen wir uns das Vokabular ab.
CW: Inwiefern wird das Tool noch
weiterentwickelt?
Fischer:
Wir möchten eine Art Language Partnership Program
einrichten, damit Vereine, Verbände oder
Interessengruppen nach einem Screening durch uns
ihre eige-
nen Regeln erfassen können. Die Idee
ist, dass wir dann im Frontend auch zeigen können,
von welcher Organisation einzelne Eingaben stammen.
Damit wollen wir uns
entweder Mitte Jahr oder
im Herbst befassen. Momentan unterstützt das Tool
Deutsch und Englisch, künftig – vielleicht sogar
schon in diesem Jahr – möchten wir
Witty auch
auf Spanisch anbieten können.
30% mehr Bewerber mit diversem Hintergrund
Computerworld: Wie fiel bislang die Resonanz von
Unternehmen aus, die «Witty» in Betrieb nahmen?
Nadia Fischer:
Wir arbeiten stark mit der Deutschen Bahn zusammen
und sie fanden, dass es ihnen definitiv hilft,
inklusiver zu schreiben. Zusätzlich konnten sie
plötzlich
ihren eigenen Bias erkennen. Das war
für sie das grosse Aha-Erlebnis. Andere Feedbacks
gab es etwa zur Talent Acquisition, die relativ gut
messbar ist. Da berichteten uns Firmen, dass vorher
bei ausgeschriebenen Jobs 0 bis 10 Prozent der
Bewerbungen von Menschen mit diversem Hintergrund
eingereicht wurden. Nachdem sie inklusiv geschrieben
haben, stieg dieser Anteil auf 30 Prozent – das
machte also wirklich etwas aus.
Computerworld:
Wie wirkt sich das aus Ihrer Sicht auf Firmen aus,
wenn sie in ihrer Kommunikation inklusiver Sprache
keine Beachtung schenken?
Nadia Fischer: Sie setzen ihre Attraktivität als Arbeitgeber aufs Spiel. Zudem werden Unternehmen, die sich dem überhaupt nicht anpassen, je länger, je mehr an den Pranger gestellt. Wer da keinen Effort leistet, wird besonders auch von jungen Leuten als alt und träge wahrgenommen.
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