Inklusive Sprache

Unternehmen tun sich schwer mit gender-neutraler Formulierung

Manuela Vock hat ihre Masterarbeit über gendergerechte Sprache in deutschsprachigen Stelleninseraten geschrieben. In diesem Blog Artikel erklärt sie, warum die meisten Stelleninserate immer noch nicht gendergerecht geschrieben sind, und warum sich Unternehmen damit schwertun.

Manuela Vock

 

 Erst wenige Unternehmen, die Stelleninserate non-binär ausschreiben

Für die meisten Unternehmen bedeutet ‘alle Geschlechter’ nach wie vor noch Mann und Frau. So wurden in der durchgeführten Analyse die Berufsbezeichnungen mehrheitlich mit einer abgekürzten Doppelform, also zum Beispiel ‘Mitarbeiter/in’ ausgeschrieben. Durch den Schrägstrich können zwar beide Geschlechter angesprochen werden, gleichermassen angesprochen werden sie jedoch nicht. Denn rein theoretisch gesehen, wird das feminine ‘-in’ als Anhängsel an die maskuline Form betrachtet. Non-binäre Personen werden gänzlich ausser Acht gelassen.

Vereinzelt wird auch nur ein Geschlecht angesprochen

Fast 10% der untersuchten Inserate wurden mit nur einem Geschlecht ausgeschrieben. Unternehmen suchten also spezifisch nach einem Mann (bspw. ‘Mechaniker’) oder einer Frau (bspw. ‘Psychologin’). In einigen Fällen wurde diese Ausdrucksweise etwas relativiert, indem noch ein Zusatz wie zum Beispiel ‘(m/w)’ oder ‘a’ an die Berufsbezeichnung angehängt wurde (bspw. ‘Mitarbeiter (a)’). Für eine geschlechtergerechte Schreibweise empfiehlt sich weder die rein maskuline noch die rein feminine Form. Auch der Zusatz ist insofern nicht hilfreich, da er durch das ‘m’ oder das ‘w’ das zuvor genannte Geschlecht doppelt nennt und somit erneut einer Geschlechter Dysbalance herstellt.

Non-binäre Schreibweisen sind noch kaum vertreten

Von 1000 untersuchten Stelleninseraten wurden lediglich 20 Inserate mit Sonderzeichen ausgeschrieben, die auch non-binäre Personen miteinbeziehen. Dazu gehört der Genderstern "*", der Gender-Doppelpunkt ":" oder der Gender-Gap "_". Im Französischen wird auch der Gender-Mittelpunkt "·" verwendet. Für Publikationen auf Bundesebene sind non-binäre Schreibweisen gemäss dem vom Bund publizierten Leitfaden nicht zugelassen.

 

 Fakt ist: es gibt nicht nur das ‘eine’ richtige Gender-Zeichen

Bei der Zeichensetzung sollten sich Unternehmen darum immer fragen, was ihr Unternehmen gerne vermitteln möchte. Denn mit einem Stelleninserat wird eben nicht nur einfach eine passende Person gesucht. Ein Stelleninserat ist das Aushängeschild jedes Unternehmens. Werberisch wird auf Anstellungsbedingungen aufmerksam gemacht, hipp und ansprechend sollte es sein. Und eben auch zeitgemäss. So wird die Gender-Sprache oftmals als Marketing-Tool verwendet, um ihre Diversity & Inclusion zu vermarkten. Ob diese dann tatsächlich gelebt wird, sei dahingestellt. Von den befragten Unternehmen wurde ich immer gefragt: Ja, wie gendert man denn nun richtig?

Unternehmen sind oftmals mit der richtigen Zeichensetzung überfordert

Obwohl meist Personal Fachpersonen in ihren Unternehmen für das Schreiben von Stelleninseraten verantwortlich sind, sind sie oftmals mit der richtigen Zeichensetzung überfordert. Während vor allem bei Grossunternehmen auf interne Policies gesetzt wird, welche eine geschlechtergerechte Schreibweise vorgeben, sind vor allem Personen in kleineren Unternehmen schlichtweg überfragt. Alle Befragten möchten gendergerechte Sprache anwenden, fühlen sich im ‘Zeichen-Dschungel’ jedoch gänzlich verloren – ein Sprachtraining haben die wenigsten erhalten. So werden Zeichen oftmals nach ‘bestem Wissen und Gewissen’ gesetzt.

 

Wie gendert man denn nun richtig?

Wie bereits erwähnt, es gibt nicht nur das eine richtige Sonderzeichen. So kann ich eine Schreibweise mit dem Genderstern, dem Gender-Doppelpunkt und auch dem Gender-Gap empfehlen. Die allgemeine, sich durchsetzende Empfehlung (auch von Organisationen in Bezug auf Menschen mit Sehbehinderung) ist heutzutage der Genderstern. Da er von den Screenreadern am besten gelesen werden kann. Der Gender-Gap wiederum kann dort eingesetzt werden, wo es gerade passt. Ich kann also ‘M_itarbeiterin’, ‘Mit_arbeiterin’ oder ‘Mitarbeiter_in’ schreiben. Die Zeichen sollen aufzeigen, wie agil und fluid Geschlechtsidentitäten sind, und dass es nicht einfach ein drittes Geschlecht gibt, das sich zwischen Mann und Frau setzen lässt. Möchte man möglichst neutral und kurz bleiben, kann man eine Schreibweise mit den Wortteilen -person (‘Lehrperson’), -hilfe (‘Bürohilfe’) oder -kraft (‘Reinigungskraft’) wählen. Man muss sich aber bewusst sein, dass diese Schreibweisen doch sehr unpersönlich sind.

 

Gibt es  falsche Schreibweisen?

Eine Schreibweise, die ich nicht empfehlen kann, ist die einseitige Schreibweise wie zum Beispiel ‘Gebäudetechniker’ oder ‘Sekretärin’. Wenn spezifisch nach einem Geschlecht gesucht wird, um ein Geschlechter-Gleichgewicht im Team zu erreichen, empfiehlt es sich, im Fliesstext mit einem Satz darauf aufmerksam zu machen (bspw. ‘bei gleichwertiger Qualifikation wird eine Frau bevorzugt, um das Geschlechter-Gleichgewicht im Team sicher zu stellen’). Auch die binäre Schreibweise (bspw. ‘Psychologin / Psychologe’) empfiehlt sich nicht. Sie ist nicht mehr zeitgemäss, denn sie spricht nur Mann und Frau an und keine anderen Geschlechter. Sie ist also nicht ganz inklusiv.

Fazit

  • Es gibt nicht nur eine richtige Schreibweise
  • In Stelleninseraten werden noch nicht alle Geschlechter gleichwertig dargestellt
  • Personen, die Stelleninserate verfassen, sollten durch eine Einführung in die genderneutrale Sprache unterstützt werden, falls sie dies wünschen. Dies, weil sie mitunter nicht gut genug informiert sind über die verschiedenen Genderzeichen. Nichtsdestotrotz empfehle ich Witty, da es nicht nur bei Genderzeichen hilft, sondern viel unbewusste Sprache entdeckt und zwar in mehr als 50 verschiedenen Diverstitätsdimensionen. Und dies in Echtzeit. Damit unterstützt es die Rekrutierenden in allen neuen sprachlichen Trends. 

Finde die richtigen Worte, um niemanden zu diskriminieren.




Manuela Vock

Manuela studierte im Bachelor Kommunikation und Journalismus an der ZHAW und wechselte für ihren Master zur Université de Fribourg, wo sie dreisprachig Sprachen und Literatur studierte. Für ihre Masterarbeit untersuchte sie 1000 deutschsprachige Stelleninserate, welche auf Unternehmenswebseiten publiziert wurden und führte danach mit drei Unternehmen Interviews. Mit ihrer Stärke der Sprache setzt sie sich für mehr Gleichstellung und Sichtbarkeit für Frauen ein.

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